Mein Sohn ist beinahe 3 Jahre alt. Und er teilt sich mit. Seit einigen Wochen kann er nicht nur sagen, dass er einen körperlichen Schmerz wahrnimmt und die betroffene Stelle zeigen – was ja auch schon ein Segen ist nach der Detektivarbeit im Babyalter☺️.
Er sagt, wenn er traurig/erschrocken/irritiert ist „Aua“. Manchmal checke ich es nicht sofort und frage, wie gewohnt „Wo denn?“. Er sagt dann nichts. Er sagt einfach wieder „Aua“. Ich lerne, dass dann – wie bei körperlichem Schmerz – eine Umarmung und Trösten dran sind. Nur dass ich dann nicht eine Körperstelle „behandle“.
Komm her, wir kuscheln erst einmal...
Ich hab dich lieb...
Weißt du noch, wie wir gestern den lustigen Quatsch auf der Schaukel gemacht haben?
Ca. 1 Stunde später frage ich beiläufig „Weißt du noch, wie du vorhin geweint hast? Weißt du noch, warum?“. Wenn er die Frage uninteressant findet, lasse ich ihn. Oder er erklärt mir, was es war. Wir besprechen dann vielleicht, wie es nächstes Mal anders laufen könnte.
Ich beobachte, dass wir als Eltern und auch als Gesellschaft, bei der Art unserer Zuwendung eine Unterscheidung zwischen körperlichem und emotionalem Schmerz machen. Der körperliche Schmerz wird einem „zugestanden“. Wenn er auch noch sichtbar ist in Form von Beule, Blutung usw., kriegt Mann/Frau/Kind Zuwendung und Mitgefühl. Der Satz „Du brauchst keinen Schmerz empfinden, wenn du dich gestoßen hast“ dürfte sehr selten sein. Doch wenn ein emotionaler Schmerz geäußert wird, ist der Leidende darauf angewiesen, ob wir finden, dass es „nötig“ ist, diesen Schmerz zu empfinden. Ob der Schmerz eine Berechtigung hat oder lieber eine andere emotionale Reaktion gewählt werden sollte.
Durch ein solches selektives Mitgefühl und eine vom Inhalt abhängige Zuwendung lernen wir – zuerst als Kinder und dann weiter als Erwachsene – dass wir nicht einfach fühlen dürfen, was wir fühlen. Dass es ein Risiko bringt, sich mitzuteilen. Das Risiko, grad wenn es einem elend geht, dafür beurteilt und vielleicht sogar verstoßen zu werden.
In Anbetracht dessen, dass es seit Jahren wissenschaftlich erwiesen ist, dass unser Gehirn zwischen emotionalem und körperlichem Schmerz nicht unterscheidet, wird es höchste Zeit, dass wir diese anerzogene Konditionierung durchschauen und eine andere, liebevollere Reaktion ausprobieren.
Nach innen und nach außen.
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