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Berührung als Qualität und Ressource in Krisenzeiten?

Der Tastsinn ist der einzige Sinn, der unentbehrlich zum überleben ist.

Er ist derjenige, der uns im Mutterleib mit den ersten Eindrücken begrüßt und er ist unser letzter Begleiter, bevor wir sterben.

Berührungsmangel macht krank. Und damit sind nicht nur wir gemeint, sondern auch alle anderen behaarten Säugetiere (also auch Elefanten). Wir alle brauchen eine bestimmte artspezifische Berührung, um dauerhaft gesund und psychisch stabil zu bleiben. Sie lässt uns wissen, dass wir nicht alleine sind und es Orte gibt, wo wir ruhen, schlafen und uns ohne Gefahr einlassen können.

Auf der körperlichen Berührungsebende gibt es zur Zeit grob betrachtet zwei große Gruppen in der deutschen Gesellschaft.

Die eine besteht aus Singles, die nun durch die Infektionsgefahr keinerlei Berührung mehr erfahren. Sie sind zu Hause oder mit ungewohntem Abstand an ihrem Arbeitsplatz.

Die zweite besteht aus kinderlosen Paaren oder Familien. Diese sind jetzt zumeist ungewohnt viel Gesellschaft und Nähe „ausgesetzt“.

Beide Gruppen stehen vor besonderen Herausforderungen.

Bei den Singles gibt es vermutlich für alle Betrachter ein recht klares Bild, was die möglichen negativen Konsequenzen angeht: Es drohen Einsamkeitsgefühle, Depression. In allen Bevölkerungsschichten befinden sich darüber hinaus viele Menschen in Deutschland auch im normalen Alltag am Rande einer Instabilität. Ob latente depressive Verstimmungen, schlummernde Essstörungen oder gut gemanagte Angstzustände – diese Menschen meistern dies tapfer, denn sie haben sich Strukturen erschaffen, die Ihnen Halt geben. Das kann z.B. regelmäßiger Sport, Gruppenaktivitäten oder ein Hobby sein. Eines der sichtbaren Anzeichen von Reichtum unserer Gesellschaft ist meiner Meinung nach das üppige Angebot von nährenden Aktivitäten. Und das zu sehr flexiblen Uhrzeiten und wirklich für jedes Portemonnaie!

Die meisten von ihnen fallen jetzt weg.

Bei der Einschätzung der Chancen wird im Moment eher vermutet und hingespürt. Man liest und hört von wertvollen dynamischen Prozessen der Selbstfindung, der Rückbesinnung. Für manche Singles rückt das gute Verhältnis zu sich selbst in den Vordergrund. In der Isolation ist man sich selbst so sehr ausgesetzt – jetzt entscheidet sich so einiges...